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Grenzsituationen

In der Arbeit in der Kita kommt es immer wieder zu Situationen, in denen es für einen persönlich oder das ganze Kita-Team schwierig ist zu entscheiden, ob etwas „in Ordnung“ ist oder nicht. Solche Situationen sind z.B. Nacktheit der Kinder oder körperliche Nähe zu den Kindern. Hier hat mitunter jede_r Einzelne andere Grenzen, was er oder sie noch für verantwortbar hält und was nicht. Für den einen sind dies bereits Grenzverletzungen und für den anderen Zeichen von Zuneigung und Nähe. In solchen Situationen ist es besonders für Männer schwer auszuloten, wie sie sich verhalten sollten, weil sie schneller Opfer von Anschuldigungen werden.

Nacktheit und körperliche Nähe

Viele Kinder sind einfach gerne nackt und denken sich nichts dabei - im Gegensatz zu den Erzieher_innen und Eltern. Was würde passieren, wenn man als Erzieher in den Toberaum der Kita kommt und bemerkt, dass die beiden Mädchen die dort spielen, sich nackt ausgezogen haben und es bald Zeit ist, dass sie abgeholt werden? Oder: Dürfen die Kinder sich im Sommer im Garten der Kita nackt ausziehen? Und wie sieht es aus, wenn es so warm ist, dass der Erzieher sein T-Shirt ausziehen möchte? Ist das auch noch ok? Und wie kommt es an, wenn der Erzieher ohne T-Shirt ein nacktes Kind auf den Arm nimmt, weil er es trösten möchte? Solche Situationen müssen im Team und mit Eltern besprochen werden, um einen klaren und transparenten Umgang mit körperlicher Nähe in der Einrichtung zu entwickeln, ohne dass die pädagogische Arbeit dadurch beeinträchtigt wird.

„Einmal hab ich vorgelesen und eines unserer kleinen Mädchen saß halt eben unten nicht bekleidet auf einem Stuhl und ich lese vor und dann kamen Eltern dazu und die saßen mir auch noch genau gegenüber und ich habe halt so auch gemerkt, da ist so ein: „Oh, mh.“ Und ich war wirklich so in einer Zwickmühle: Soll ich dem Kind - die hat sich gefreut halt so da zu sitzen; war selig, hat vorher hier nackig rumgehopst und alles und ich hab überhaupt erst gar kein Anlass gesehen, so für mich, dem Kind jetzt zu sagen: „Du musst dir aber, wenn ich vorlese, den Schlüppi anziehen.“ Und als dann die Eltern kamen, habe ich gedacht, oh, hätte ich vielleicht doch besser sagen sollen. Es war einfach so in mir so ein Ding, mh. Oder wenn die bei mir auf dem Schoß sitzen die Mädchen und sich so anlehnen oder so. Ich genieß das und die Mädels genießen das auch; überhaupt die Kinder schlicht in ihrem Alter. Aber es ist immer noch was anderes, ob ein Junge bei mir auf dem Schoß sitzt oder ein Mädchen. Das ist einfach so. Und ich bin halt auch ein Stück weit hellhörig geworden. Oder sensibler geworden…. Ich kann nicht direkt von einer Verunsicherung sprechen, aber ich guck schon, also irgendwie, ich würde zum Beispiel nicht jemanden unbekleidet bei mir auf dem Schoß sitzen lassen. Da würde ich einfach sagen: „Ach sei doch so nett, zieh dir einen Schlüppi an.“ Hemd muss ja nicht sein, aber ein Schlüppi wäre mir lieber.“ (Erzieher)

Doktorspiele

Einen anderen Grenzbereich stellen „Doktorspiele“ dar. Kinder sollen ihren Körper in der Kita entdecken und ein unbefangenes Verhältnis zu ihrer eigenen Sexualität entwickeln dürfen. Dies ist nicht möglich, wenn der Erzieher oder männliche Praktikanten, wie im folgenden Zitat deutlich wird, Doktorspiele aus Furcht vor Verdächtigungen unterbinden.

„Wo es nicht immer leicht ist, sind so Sachen wie Doktorspiele. Damit hatten wir große Schwierigkeiten in letzter Zeit, weil das Sachen waren, die über das uns bekannte Maß an Doktorspielen hinausgingen. Und ohne, dass es jemals aus der Elternschaft zum Thema wurde, war dann für mich völlig klar: Sobald ich alleine im Dienst bin, lasse ich das nicht mehr zu. Also ohne, dass ich jetzt hingehe und sage: „Ich verbiete das.“ Ich habe den Kindern das schon erklärt, dass ich das nicht möchte, wenn ich alleine da bin. Das liegt einfach daran, dass ich mich da absichern möchte. Weil es halt einfach ein ganz komisches Thema wurde in der Kindergruppe; mit Übergriffen. Und wo ich einfach dachte: „Davor möchte ich mich schützen.“ Und dummerweise ist das in der Gesellschaft so verankert, dass, wenn so was vorkommt und wenn sich keiner erklären kann, woher es kommt, es dann wahrscheinlich [eher] enge männliche Bezugspersonen sind als enge weibliche Bezugspersonen. Und einfach, um mich davor zu schützen, habe ich das für mich so entschieden, dass ich sage: „Ich möchte das nicht.“ Das tragen meine Kollegen vollkommen mit.“ (Erzieher)

Damit Kinder ihren Körper und ihre Sexualität entdecken können, brauchen sie in der Kita eine Intimsphäre und geschützte Räume, wo sie sich auch miteinander austauschen und entdecken können. Damit die Kinder dabei jedoch ihre eigenen Grenzen wahrnehmen und schützen können, brauchen sie für diese Räume klare Vereinbarungen. Für die pädagogische Verantwortlichen ist ein Austausch darüber auch im Interesse des eigenen Schutzes vor grenzüberschreitenden Situationen unter den Kindern wichtig, deshalb sollten im Team und mit Eltern und Kindern klare Absprachen getroffen werden, die allen Sicherheit und Orientierung geben.